UX Challenge: Wie wir die Endlosschleife bei der Flugsuche durchbrechen.

Robert Goesch • 25.07.2023
Robert Goesch

Bis jetzt haben sich die 50 weltweit besten Fluggesellschaften alle auf das gleiche Pattern für die Flugsuche geeinigt. Man beginnt immer mit einem Formular. Mit einer Strecke, mit dem Abflughafen, gefolgt vom Zielflughafen, gefolgt von Reisedaten, gefolgt von Passagierdaten. Und allen Angaben, die erforderlich sind, um korrekte Preise zu berechnen. Aber der Weg zur Buchung des richtigen Flugs bleibt frustrierend und verwirrend. Gibt es wirklich nur diese eine Lösung? Oder scheuen sie sich, aus der Reihe zu tanzen? Wir laden dich ein, dem Gedankenexperiment zu folgen und das scheinbar unantastbare UI Pattern auf den Kopf zu stellen.

Screenshots of a mobile travel app, showing a flight search interface with departure options, a scenic image prompting travel to Alberta, and a date selector highlighting available flights for a round trip.

Was steht in diesem Artikel

01 Eine Beobachtung zur Flugsuche Wie technische und geschäftliche Zwänge eine User Experience prägen.
02 Das Problem neu formuliert Warum uns die klassische Flugsuche in eine endlose Trial-and-Error-Schleife führt.
03 Das Redesign der Flugsuche: Vorstellung des »Balancing Act« Eine schrittweise Abwägung zwischen Preis und Komfort.
04 Der Moment der Interaktion Was uns die Ziele und Absichten über die Anforderungen an eine Flugsuche verraten.
05 Die Challenge Was es braucht um die Suche von Flügen erfolgreich zu machen
06 Von statisch zu sequenziell Wie uns das mentale Modell der Reisenden dabei hilft unsere Inhalte zu orchestrieren.
07 Von passiv zu proaktiv Wie wir Reisende dabei unterstützen informierte Entscheidungen zu treffen.
08 Von akkurat zu instant Wie wir technische Limitationen überwinden um Indikationen zu geben.
09 Grenzen überwinden Wie weit können wir gehen, wenn der Reisende selbst in den Mittelpunkt der Suche gestellt wird.

Das Thema ‘Flugsuche’ tauchte schon zuvor auf unserer Werkbank auf. Schon im Jahr 2015 hat ein Teil von uns an der Designstrategie der Lufthansa Group gearbeitet. 2017 wurde airberlin eine der ersten Kundinnen von DUMBO. Gemeinsam mit ihrem Team haben wir ihre digitale Welt von Grund auf neu gestaltet: Flugsuche, Buchungsprozess, Homepage und vieles mehr.

Was 2016 noch als zu progressiv galt, feierte 2017 bereits die ersten Erfolge. Sechs Jahre später, 2023, haben wird es nun als Case Study weiter gedacht.

Hinweis: Dies ist eine fiktive Fallstudie, die wir auf eigene Initiative hin durchgeführt haben und die weder entwickelt noch gelauncht wurde. Wir möchten mit ihr Gewohnheiten in Frage stellen, Barrieren einreißen und neue Denkanstöße bieten, um Interaktionen zu verbessern.

Eine Beobachtung zur Flugsuche

Die meisten von uns haben schon mal einen Flug gesucht und kennen daher vermutlich das übliche Spiel: Man jongliert immer weiter mit den Suchkriterien, um das optimale Suchergebnis zu bekommen. Wird es günstiger, wenn ich das Reisedatum ändere? Sind die Flüge weniger voll, wenn ich von einem anderen Flughafen starte? In der Folge besteht die Suche aus einer nicht enden wollenden Kombination aus Sichten der Ergebnisse, und weiteren Verfeinerungen und Anpassungen der Suchkriterien. Na, wer findet sich hier wieder? Bei 29 Studentinnen und Studenten, die an der Studie »Online Search Behavior in the Air Travel Market: Reconsidering the Consideration Set and Customer Journey Concepts« teilgenommen haben war es genau so.

Laut der Studie von 2017 umfassen die Flugsuche-Algorithmen einen dynamischen Lösungsraum mit oft mehr als tausend Möglichkeiten, die sich schnell ändern können und basierend auf den Kriterien der Reisenden eingeschränkt werden. Reisende hingegen durchlaufen im Durchschnitt drei Runden der Verfeinerung: sie filtern und verfeinern die Suchkriterien, vergleichen Möglichkeiten und wägen ab. Die so analysierten Flugsuchen reichen nicht aus, um eine endgültige Auswahl zu ermöglichen: Reisende müssen immer noch Entscheidungen treffen und Abwägungen entsprechend ihren persönlichen Präferenzen und Prioritäten treffen. Die Studie betont die Bedeutung verbesserter User Interfaces mit Entscheidungsunterstützung bis zur endgültigen Entscheidung, um die Experience der Flugsuche zu verbessern.

Frontstage: Was wir sehen können

Wenn wir Leute beim Buchen von Flügen beobachten, stellen wir unangenehme Nebenwirkungen und interessante User-Hacks fest. 

  • Die Suche nach dem richtigen Flug ist extrem anstrengend. Hohe Preise, begrenzte Verfügbarkeit, künstliche Verknappung, eine Fülle von Optionen und eine tief verwurzelte Vorliebe für Kostenfallen und Schlupflöcher. 
  • Der Flug wird mit jeder Suche teurer. Durch die undurchsichtige Preisgestaltung und das Gefühl, am Haken der Airlinezu hängen, sind Reisende misstrauisch gegenüber Cookies und Trackings. 
  • Flüge sind wie die Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Allein die Strecke von Frankfurt nach Honolulu bietet 8.777 verschiedene Flugkombinationen. Um Herr über das Angebot zu werden, ziehen Reisende Drittanbieter heran. Swoodoo, um unterschiedliche Routen zu kombinieren. Google, um Angebote aus der Umgebung zu finden und viele mehr.
  • Lange Wartezeiten sind nervenaufreibend. Bei jeder Suchanfrage werden Preise neu berechnet und die Verfügbarkeit geprüft. Eine Abfrage in unserem Test dauert in der Regel 10 Sekunden. Das führt beim beobachteten Suchverhaltenimmer zu langen Wartezeiten. 
  • Das Streben nach dem besten Flugdeal. Das wichtigste Entscheidungskriterium für einen Flug ist immer noch der Preis. Doch jeder Suchparameter beeinflusst ihn. Die fehlende Preiskommunikation verstärkt das Gefühl der Intransparenz. 
  • Das Gefühl, zu viel für den Flug bezahlt zu haben. Wenn es um Flüge geht, werden die meisten Reisenden mit “Ab”-Preisen konfrontiert. Diese sind jedoch nur auf bestimmten Flügen und in begrenzter Anzahl vorhanden. Was, wenn solche Flüge nicht verfügbar sind? Dies führt zu einem negativen Anchoring: was anfangs günstig erschien, wirkt jetzt umso teurer. 

Backstage: Was wir nicht sehen können

Man muss einen Blick hinter die Kulissen werfen, um festzustellen, dass zahlreiche technische und geschäftliche Zwänge Einfluss auf die Flugsuche haben. Anstelle jahrelangem Usability Engineering haben ein Third-Party-Buchungssystem, Dynamic Pricing und Cost per Request einen erheblichen Einfluss auf die Suche. 

  • 3rd Party Booking System: Hinter den meisten Flugsuchen steht ein Buchungssystem namens Amadeus. Hier werden die Tickets von Millionen Kundinnen und Kunden gekauft. Amadeus ist weitgehend dafür verantwortlich, welche Datenpunkte verfügbar sind und wie die Schnittstelle gestaltet ist. Fluggesellschaften nutzen jene Systeme und können nur begrenzt Einfluss auf eine bessere Lösung nehmen. 
  • Dynamic Pricing: Dynamische Preisbildung wird verwendet, um den Preis eines Produkts auf der Grundlage deraktuellen Marktbedingungen festzulegen. Die Preise schwanken in Echtzeit auf der Grundlage aktueller Daten. Dazu gehören Daten über das Buchungsverhalten der Kundinnen und Kunden, Preise der Wettbewerbs-Airlines, populäre Events und eine Vielzahl anderer Faktoren, die die Produktnachfrage beeinflussen und eine Preisanpassung erforderlich machen. 
  • Cost per Request: In den meisten Fällen werden die Suchanfragen pro Anfrage berechnet. Um die Kosten niedrig zu halten, möchten Airlines die Suchanfragen reduzieren. Dies führt dazu, dass sowohl präventive als auch iterative Abfragen vermieden werden. 

Das Problem neu formuliert

Das klassische Flugsuche-Pattern führt zwangsläufig zu einer frustrierenden Trial-and-Error-Schleife.

Die Flugsuche ist so strukturiert, dass es sehr unwahrscheinlich ist, dass ein Kunde auf Anhieb einen passenden Flug findet, denn sie setzt voraus, dass der Reisende vor dem Absenden der Suchanfrage alle preisrelevanten Informationen eingegeben hat.

Das Dilemma: diese preisrelevanten Angaben wirken sich auf die Verfügbarkeit, die Reisezeit und den Service aus. Gleichzeitig sind es für den Reisenden Faktoren, die sich je nach Ergebnis und persönlichen Vorlieben und Flexibilität verändern lassen. Infolgedessen entwickeln Reisende ihre eigenen User-Hacks, um verschiedene Suchparameter zu vergleichen und den Kompromiss zwischen Preis und Komfort abzuwägen. 

Wie können wir Reisenden eine bessere Flugsuche bescheren? Unser Vorschlag: Der Balancing Act - ein geführter Dialog zwischen Reisendem und Fluggesellschaft. Zurücklehnen, wir tauchen tief ein.

Das Redesign der Flugsuche: Vorstellung des »Balancing Act«

Was macht eine Suche erfolgreich? Eine Frage, die im Zeitalter des globalen Reisens und ihren grenzenlosen Möglichkeiten immer wichtiger wird. Wir konzentrieren uns dabei auf den persönlichen Lösungsraum. Das stellt den Reisenden selbst, seinen Anlass und sein Budget in den Mittelpunkt der Interaktion und klopft das Flugangebot daraufhin ab. Dazu verändern wir den Zuschnitt der Interaktion mit Reisenden grundlegend. Wir brechen das Suchformular in einzelne Aufgaben herunter und ändern die Abfolge der Interaktion um eine ausgewogener Balance zwischen Reibung und Fortschritt zu ermöglichen. 

Sequence of screens from a flight booking app showing an inspirational destination image, departure airport selection, date picking with seat availability, and a list of outbound flights for one adult.

Wir bringen dich hin. Aber wohin?

Wir beginnen die Flugsuche mit der wohl einzigen Frage, deren Antwort für dich nicht zur Diskussion steht: Wohin? Mit dem Wissen wohin es gehen soll, helfen wir dir jede weitere Angabe hinsichtlich Kosten und Komfort abzuwägen. Damit du bewusste Entscheidungen treffen kannst.

Finde die perfekte Verbindung

Wir finden den besten Abfahrtsort für dich. Je nachdem, wo du hinwillst, wo du dich aufhältst und vor allem zu welchen Preisen und Bedingungen geflogen wird, können wir dir alternative Routen anbieten, die deinen Geldbeutel schonen und dich bequem und schnell ans Ziel bringen. 

Zeiten, die dir passen

Es sind fast immer Flugzeuge in der Luft, aber nicht immer die gleichen. Bei einigen Reisen bist du zeitlich gebunden, bei anderen nicht. Bestpreis-Kalender, Reisezeiten und erwartete Auslastung helfen dir, den besten Flug für deine Reise zu finden. 

Ohne dir im Weg zu stehen

Wir reagieren so schnell wie möglich. Noch bevor wir über die Anzahl der Passagiere sprechen, Zugangscodes hinterlegen oder Multi-Stop-Flüge erstellen, solltest du eine Vorstellung davon haben, ob es einen passenden Flug für dich gibt. Ohne Wartezeiten. 

Der Moment der Interaktion

Um das Interface neu zu gestalten, müssen wir den Moment der Interaktion beleuchten. Dazu verwenden wir das Interaction Archetypes Framework, um unser Design an der zugrunde liegenden Nutzungsabsicht auszurichten - dem stärksten Treiber für die Nutzerinteraktion.

Zwei Hände kleben einen Haftnotizzettel auf das Archetype Canvas, welches zum Großteil beklebt auf einem Tisch liegt.

Aufgabe

Die Aufgabe einer Flugsuche ist es, den passenden Flug zu finden. Wir sehen, dass dies in der Regel mehrere Anläufe braucht und mit Hilfe von verschiedenen Flugsuchen und Flugvermittlern erreicht wird. Das zeigt, dass wir uns bei der Suche nach einem Flug eindeutig in einer Abwägungsphase befinden. Verschiedene Flüge, Routen und Zeiten werden mit Kriterien der Reiseplanung sowie persönlichen Vorlieben und einschränkenden Faktoren der Reisenden abgewogen.

The most important factor for choosing an airline is cabin cleanliness with 71%, followed by reputation with 50%, followed by price with 46%, followed by sustainability with 45%, followed by flight time with 43%, followed by Availability of inflight WiFi with 40%, followed by airport location with 38%, followed by loyalty program with 32%
Faktoren, die nach Ansicht der Befragten bei der Wahl einer Fluggesellschaft nach der COVID-19-Pandemie in den Jahren 2020 und 2021 am wichtigsten sind (Source: Statista, 2022)

Nutzungsabsicht

Die Nutzungsabsicht ist ein entscheidender Faktor für die Interaktion. Je besser wir unser Interface auf die Nutzungsabsicht hin optimieren, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Interaktion erfolgreich sein wird. Forschungsergebnisse zeigen, dass sich die Nutzungsabsichten für digitale Anwendungen drei Kategorien zuordnen lassen: »Act«, »Understand« und »Explore«. In unserem Fall können wir die Flugsuche eindeutig der Nutzungsabsicht »Act« zuordnen: Die Nutzer haben eine bestimmte Aufgabe und wollen bei der Erledigung dieser Aufgabe so schnell wie möglich vorankommen. Die Flugsuche ist durch ein klares Ziel gekennzeichnet. Die Reisenden wollen sich einen Überblick über die verfügbaren Flüge verschaffen, um die beste Option für ihren spezifischen Lösungsraum zu finden. Sie gehen strukturiert vor und ändern gezielt Suchparameter, um Ungereimtheiten aufzudecken und die Grenzen des Angebots auszuloten.

The intention to use "Act", "Understand", and "Explore" can be defined based on the "Needs", "Goals", "Focus", "Time" and "Manner"
Dimensionen zur Klassifizierung der Nutzungsabsicht

Erfolg

Die Änderung verschiedener Parameter zeigt, dass der Lösungsraum für diese Aufgabe mehrdimensional ist. Nicht nur das, bei näherer Betrachtung wird klar, dass eine Flugsuche ein hierarchischer Stufenprozess ist. Wir gehen davon aus, dass die Entscheidungsaufgaben sequentiell sind. Der Reisende arbeitet sich von Entscheidungsebene zu Entscheidungsebene, alle Ebenen der Flugsuche stehen in einem kausalen Zusammenhang.

Central question for decision level one is: does the airline fly me to my destination? Question for level two is: is the departure point conveniently located? Question for level three is: does the outbound flight fit into my travel plan? Question for level four is: does the return flight fit into my travel plan? Question for level five is: does the flight suit my personal circumstances?
Analytic Hierarchy Process zur Entscheidungsfindung bei der Flugsuche

Ziel

Die Flugsuche ist untrennbar mit der Flugbuchung verbunden, die wiederum mit der An- und Abreise zum Reiseziel verknüpft ist. Das übergeordnete Ziel der Reisenden ist »das Ankommen«. Dabei beobachten wir den selben kausalen Zusammenhang, den wir bereits bei den Erfolgsfaktoren sehen konnten. Auch hier haben wir es mit einem hierarchischen Stufenprozess zu tun. Das heißt, ehe es zu einer Flugsuche kommt, haben sich Reisende bereits mit dem Zielort, dem Reisezeitpunkt, der Reisedauer und den Reisekosten auseinandergesetzt. Reisende haben also in der Regel eine Art hidden Agenda, welche sie bewusst oder unterbewusst im Laufe der Flugsuche abklopfen.

Decision level one is about the destination. The central question is: where to? Decision level two is about the time to travel. The central question is: when? Decision level three is about the duration of the trip. The central question is: how long? Decision level four is about the travel cost. The central question is: how expensive? Decision level five is about the accomodation or flight. The central question is: where and how?
Analytischer Hierarchieprozess für Reiseentscheidungen. (Quelle: Fakultät für Gesellschaftswissenschaften der Universität Duisburg — Essen, 2003)
Hypothesen

Betrachten wir das Problem und den Kontext, in dem das Interface zum Einsatz kommt, so ergeben sich drei Thesen. Sie öffnen einen Lösungsraum für die Flugsuche: 

1
Wenn wir die Suche entlang der Entscheidungsebenen gestalten, können Reisende in jeder Phase der Entscheidungsfindung schneller und sicherer Entscheidungen treffen.
2
Wenn Reisende im Moment der Eingabe ihre Optionen hinsichtlich Preis und Komfort abwägen können, ist es wahrscheinlicher, dass die ersten Ergebnisse bereits zusagen, wodurch die Suchanfragen reduziert werden.
3
Wenn wir vereinzelte Informationen anzeigen, sobald sie zur Verfügung stehen, können Reisende mögliche Optionen schneller auf ihre Eignung hin bewerten, wodurch Aufwände und Abbruchquoten reduziert werden.
Vier Archetype Canvas Poster hängen mit Haftnotizen beklebt an einer Betonwand. Im Vordergrund ein Tisch auf dem zerknüllte Post-its liegen.

Die Challenge

Die Suche geht derzeit davon aus, dass ihre Parameter festen Kriterien entsprechen. Eine »erfolgreiche« Suche ist demnach gegeben, wenn sie auf Grundlage der zehn Angaben ein Ergebnis liefern konnte. In der Interaktion verhalten sich Reisende jedoch in einer Weise, die dieser Annahme widerspricht. 

Aufschluss darüber geben die Entscheidungsebenen über welche sich Reisende ihrem Ziel nähern. Sie sind hierarchisch und stehen in einem kausalen Zusammenhang.

Jede einzelne Entscheidung ist das Ergebnis einer Abwägung zwischen Preis und Komfort. Eine erfolgreiche Suche ist daher der kleinste Kompromiss.

Wenn wir also durch Interaktion Raum zum Abwägen schaffen, sollten wir in der Lage sein, die Flugsuche für die Reisenden gezielter zu gestalten. Daraus ergeben sich drei große Herausforderungen für das Design:

  1. Wie können wir die Entscheidungsebene der Reisenden nutzen, um den Prozess zu beschleunigen?
  2. Wie können wir Reisenden dabei helfen, zwischen Preis und Komfort abzuwägen, um Suchanfragen zu reduzieren? 
  3. Wie können wir den Reisenden schneller Ergebnisse liefern, um Reibungsverluste und Abbruchquoten zu verringern?

Von statisch zu sequenziell

Wir verabschieden uns von der vorherrschenden Streckenangabe einer Flugsuche und fragen im ersten Schritt: »Wohin möchtest du reisen?« Wir haben schnell erkannt, dass die Frage nach dem »Wohin« dem mentalen Modell der Reisenden entspricht. Und dass sie als Sprungbrett für zielführende Interaktion dienen kann. Nur wenn wir Reisende ihrem Zielort näher bringen, können wir ihnen ein relevantes Angebot machen.

Vier Schritte

Doch damit nicht genug: Wir verzichten gleich ganz auf die Suchmaske und führen Reisende im Dialog zu ihrem Flug. Den Entscheidungsebenen folgend bitten wir nach einander um vier Angaben, auf dessen Basis wir einen geeigneten Flugplan generieren können.

  1. Zielort angeben
  2. Abflugort angeben
  3. Abflugzeit auswählen
  4. Rückflugzeit auswählen

Vier Erfolgsmomente

Wir schenken jeder Angabe unsere volle Aufmerksamkeit. Das reduziert die kognitive Belastung und schafft Raum für Content, selbst auf kleinen Geräten. Das wiederum ist nur möglich, wenn der Aufwand pro Eingabe für die Nutzer geringer ist als der jeweils erzeugte Mehrwert. 

Wenn wir diese Angaben entlang der Entscheidungsebenen von Reisenden orchestrieren und ihre Kausalität verstehen, können wir bewusst Teilentscheidungen herbeiführen. Auf dem Weg zum individuellen Lösungsraum schaffen wir unterdessen vier Erfolgsmomente: 

  1. Wir fliegen deinen Zielort an? Check!
  2. Wir bieten dir einen geeigneten Abflugort? Check!
  3. Wir fliegen zur richtigen Zeit ab? Check!
  4. Wir fliegen zur richtigen Zeit zurück? Check!
Four parts of a  mobile app interface showing the steps of searching for a flight destination, choosing a departure city, and selecting travel dates with price highlights.
Suchdialog von links nach rechts: Zielort, Abflugort, Abflugdatum, Rückflugdatum. [Design Mockup]

Später mehr

Von weiteren Abfragen wird zugunsten des Angebots abgesehen. Alle anderen Kriterien können zur Anpassung der Ergebnisse unter Beibehaltung des Flugplans verwendet werden. Diese Kriterien werden auf Basis der häufigsten Flugbuchungen oder des persönlichen Flugverhaltens vorausgewählt. 

  • Anzahl der Erwachsenen
  • Anzahl der Kinder
  • Anzahl der Kleinkinder
  • Zugangscodes zu ausgewählten Flügen
  • Auswahl der Klasse
Mobile app screen displaying outbound flight options for an adult from Frankfurt to New York, with the ability to adjust the number of adults, children, and pets.
Einstellungen für die Flugsuche. [Design Mockup]
Mobile screen displaying flight details for a trip from Frankfurt to New York with a one-hour stop in Zurich, including the option to select fare starting from €1120.
Details zur Flugverbindung. [Design Mockup]

Von passiv zu proaktiv

Um fundierte Entscheidungen treffen zu können, müssen sich die Reisenden der Konsequenzen ihres Handelns bewusst sein. Das heißt, sie müssen die Auswirkungen ihrer Teilentscheidung (Zielort, Abflughafen, Reisedaten) auf das erwartete Ergebnis verstehen. Je besser sie das können, desto leichter fällt es ihnen, abzuwägen. Schließlich ist der beste Flug das Ergebnis einer persönlichen Abwägung zwischen Komfort und Kosten. 

Der beste Abflugort für dich

Wenn man im Westen Deutschlands wohnt, gibt es bereits fünf mögliche Abflugorte in einem umkreis von 90 Minuten. Mit Frankfurt und Düsseldorf sind bereits zwei große Drehkreuze unter ihnen. Der Abflughafen ist also äußerst flexibel und wirft Fragen auf:

  • Welcher Abflughafen kommt in Frage?
  • Welche Fluggesellschaft wird präferiert?
  • Was ist eine akzeptable Preisspanne?
  • Wie mobil ist man auf dem Weg zum Flughafen? 

Anhand von Geolokalisierungen und des Streckennetzes können je nach Zielort Rückschlüsse auf einen geeigneten Abflughafen gezogen werden. Dazu ziehen wir nahe gelegene Flughäfen heran und bewerten sie nach Komfort und Preis. Daneben spielen auch die Reisezeit und die Fluggesellschaft eine Rolle. 

Damit nicht genug. Es können gezielt Angebote platziert werden, mit denen die Lufthansa den Wettbewerb vorantreibenoder die Auslastung innerhalb der Lufthansa Group steuern kann. So können mit Hilfe von Rabatten attraktive Anreize geschaffen werden und das Handeln von Reisenden positiv beeinflussen.

A mobile interface with departure options from Frankfurt, Düsseldorf, and Cologne-Bonn, along with a keyboard indicating the user's ability to search for other locations.
Empfehlung vom Abflughafen auf Basis der Geolokalisierung. [Design Mockup]
Smartphone screen displaying departure options from Frankfurt with alternative airports in Düsseldorf and Cologne-Bonn, including journey time and price differences.
Alternative Abflugoptionen auf Grundlage der Geolokalisierung. [Design Mockup]

Die beste Flugzeit für dich

Der Reisezeitraum ist wohl der undurchsichtigste und doch wichtigste Parameter für Reisende. Er ist der wichtigste Faktor bei der Bestimmung des Flugpreises und der Verfügbarkeit. Ein einziger Tag früher oder später kann sich schnellauf mehrere Hundert Euro auswirken. Dies kann einen starken Einfluss auf die Reiseplanung haben.

Damit Reisende ihre Suche nicht nachträglich korrigieren müssen, ergänzen wir die Terminauswahl um zusätzliche Indikatoren. Allem voran gibt es eine Preisanzeige, die täglich für Hin- und Rückflug aufgeschlüsselt wird. 

Die Reiseplanung lässt nicht immer Spielraum zu. Daher sind Frühindikatoren für die Verfügbarkeit umso wichtiger. Dazu kennzeichnen wir Tage, an denen das Reiseziel nicht angeflogen wird sowie Tage mit besonders hoher Auslastung. So können wir bereits in einer frühen Phase der Reiseplanung Impulse setzen, um negative Buchungserfahrungen zu vermeiden. 

obile app interface for selecting round trip flight dates with options to highlight by price, seat availability, popularity, or local events.
Optionen zum hervorheben von Reisetagen. [Design Mockup]
A user interface displaying flight departure options, highlighting the date with the fewest seats left.
Hervorgehobene Datumsauswahl. [Design Mockup]

Das beste Ticket für dich?

Ein »One Way Flight« kann teurer werden als ein »Return Flight«. Wir berücksichtigen die Option »One Way Flight« innerhalb der Terminauswahl. Denn sie stellt eine Alternative zum Rückflug dar. Und der damit verbundene Preis ist eine wichtige Information, die beim Abwägen der Optionen durch Reisende zu berücksichtigen ist.

Noch bevor der Flugplan geladen wurde, legen wir alle Optionen auf den Tisch. So bieten wir maximale Preistransparenz.

Disclaimer: Multi-Stop-Flüge wurden in dieser Case Study nicht berücksichtigt.

A flight booking app interface showing a calendar with dates and prices for a one-way flight from Frankfurt to New York, highlighting the best prices.
Bestpreiskalender für One-Way-Flüge. [Design Mockup]
A mobile app screenshot displaying a date selection tool for booking round trip flights from Frankfurt to New York, with prices highlighted for each day.
Bestpreiskalender für Hin- und Rückflüge. [Design Mockup]

Von akkurat zu instant

Macht man Aussagen über Flüge und deren Preise, noch bevor überhaupt nachgesehen wurde, ob der Flug noch nicht ausgebucht ist oder die Preise sich verändert haben, läuft man Gefahr, dass das Angebot korrigiert werden muss. In der Regel wollen wir alle Aussagen treffen, die erfüllt werden können. Es braucht aber eine Fehlertoleranz in der Kommunikation, um möglichst schnell flüchtige Flugdaten zur Verfügung zu stellen.

Folgendes Beispiel: Ein Flug soll ab 300 Euro existieren, so war es noch am Tag zuvor. Inzwischen haben sich die Preise geändert und der Flug kostet 305 Euro. Das führt dazu, dass die Annahme auf Basis der Informationen falsch war, und zu Ungunsten des Kunden korrigiert werden müssen. Blöd. Aber: Man war schon mal in der Lage, eine Preisindikation zu geben. Denn der Flug davor und danach kostet vielleicht 600 Euro und ist somit noch irrelevanter als ein Flug für 305 Euro, wenn man von 300 Euro ausgegangen ist. 

Der Kommunikationsfehler wiegt weniger stark als der Mehrwert im Moment der Interaktion. Technische und unternehmerische Zwänge können wir nur mit Hilfe von Schätzungen und Annahmen überwinden. 

Caching

Um Preistransparenz zu erreichen, müssen wir auf das Anfragen von Preisberechnung verzichten. Aufgrund der Kosten pro Suchanfrage und der Ladezeiten ist es uns nicht möglich im Minutentakt aktuelle Preise zu kommunizieren. Daher müssen wir die Preise aus früheren Suchanfragen zwischenspeichern und zur Kommunikation nutzen, zumindest bis eine Flugauswahl getroffen werden kann. Wohl wissend, dass sich die Preise ändern können, sobald die endgültigen Flüge ausgewählt werden. Der Anspruch einer präzisen Preiskommunikation wird zu Gunsten relevanter Auswahlkriterien und schneller Ladezeiten geopfert. Schließlich ist der Preis der wichtigste Faktor bei der Abwägung jeder Teilentscheidung. 

A mobile app screenshot displaying a date selection tool for booking round trip flights from Frankfurt to New York, with prices highlighted for each day.
Bestpreiskalender mit zwischengespeicherten Preisen. [Design Mockup]
A flight selection interface on a mobile device showing various outbound flight options from Frankfurt to New York for one adult, sorted by shortest duration
Flugtabelle mit nachladenden Preisen. [Design Mockup]

Flugplan

Um die Interaktion zu beschleunigen, müssen wir die Verfügbarkeitsprüfung an das Ende stellen. Das Streckennetz steht fest, der Flugplan ist erstellt. Mit der Streckenangabe und den Reisezeiten sollten wir den entsprechenden Flugplan sofort zur Verfügung haben. Die Verfügbarkeitsprüfung kann entweder nachgelagert oder zeitgleich erfolgen. So ermöglichen wir, dass Systeme kommunizieren können, ohne Reisenden ein Hindernis zu sein. 

A flight selection interface on a mobile device showing various outbound flight options from Frankfurt to New York for one adult, sorted by shortest duration
Flugplan mit nachladenden Preisen. [Design Mockup]
Mobile app screen showing flight options from Frankfurt to New York with stopover details and the call to action, 'Next: Select fare.'
Flugdetails mit nachladenden Preisen. [Design Mockup]

Geolocation

Anhand von Geolocation-Daten können Rückschlüsse auf den Abflughafen gezogen werden. Dazu müssen wir nicht zwingend die Geolocation-API heranziehen. Es sollte auch möglich sein, mit Hilfe der IP-Addresssuche eine ausreichende Lokalisierung zu erreichen, damit wir sofort einen Mehrwert schaffen können. Sobald wir die Flughäfen in der Umgebung identifiziert haben, können wir mögliche Verbindungen im Hinblick auf Kosten und Komfort bewerten.

A mobile interface with departure options from Frankfurt, Düsseldorf, and Cologne-Bonn, along with a keyboard indicating the user's ability to search for other locations.
Empfehlung von Abflughäfen auf Basis der Geolokalisierung. [Design Mockup]
Smartphone screen displaying departure options from Frankfurt with alternative airports in Düsseldorf and Cologne-Bonn, including journey time and price differences.
Alternative Abflugorte auf Grundlage der Geolokalisierung. [Design Mockup]

Grenzen überwinden

Jeder, der schon mal einen Flug suchen und buchen musste, weiß: Es ist nervenaufreibend und zeitfressend. Bevor man die Suche überhaupt beginnen kann, muss man zehn Angaben in das Suchformular eintragen. Zehn mal musste man sich schon entscheiden. Dabei steht meist nur eine Sache fest: Das Ziel der Reise.

Mit unserem Gedankenexperiment haben wir gezeigt, dass das klassische Flugsuche-Pattern frustrierend ist. Auch, weil äußere Faktoren wie technische und geschäftliche Zwänge Einfluss auf die Flugsuche haben. Und wir haben gezeigt, dass man die Herangehensweise durchbrechen kann: Indem man in einen Dialog mit dem User geht und ihn von Entscheidungsebene zu Entscheidungsebene zu seinem persönlichen Lösungsraum führt. 

Wenn dir dieser konzeptionelle Ansatz gefällt, empfehle ich dir unseren Guide »UI Design for Humans«. Er basiert auf unserem »Interaction Archetypes« Framework, was dir dabei hilft, die Verhaltensmuster und Interaktionen deiner Nutzer:innen mit digitalen Interfaces strategisch zu beleuchtet. Es hat unsere Art zu Gestalten verbessert und wer weiß, vielleicht ändert es auch deinen Designprozess. 

Graphic cover for a UI design guidebook titled 'UI Design for Humans,' featuring bold typography, geometric shapes in red, and a subtitle in German about interaction archetypes.
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